Eigentlich sollte hier etwas über unserer Arbeit für Cleptomanicx stehen. Fairerweise müssen wir gestehen, dass nun etwas komplett anderes daraus geworden ist. Von 2010–2014 waren wir verantwortlich für die Gestaltung der Kataloge, der Lookbooks, sowie des Internetauftritts des hanseatischen Modelabels »vonna Waterkant«. Jetzt ist es unsere Geschichte geworden. Bilder gibt es trotzdem. (Ein Essay von Jan)
Bevor es Atelier Disko gab, gingen Rico und ich ordentlichen Berufen in sogenannten Kreativbüros nach. Damit meine ich natürlich nicht, dass unser jetziger Beruf kein ordentlicher sei – im Gegenteil. Schließlich sind wir mittlerweile unsere eigenen Chefs. Man hatte einen Job in Festanstellung, also genau das, was sich Mütter oder Väter gerne für ihre Kinder wünschen, wenn sie schon nicht die berufliche Laufbahn des Mediziners oder Juristen einschlagen wollen. Beklagen können sich unsere Eltern trotzdem nicht – immerhin ein akademisch sinnvolles Studium. An der Kunsthochschule. Spätestens wenn dieses dann vorbei ist, braucht man ziemlich dringend zwei Dinge: Besagten Job und eine Wohnung. Den Job im Idealfall als Designer. Hat man schließlich die letzen Jahre studiert, macht total Sinn. Die Wohnung, für meinen Teil gesprochen am liebsten in Hamburg. Hamburg, Werbe-City. Werbung ist nicht so meins, denn auch unser Studium an der Hochschule, war meiner Meinung nach auch nur indirekt dafür gemacht. Es sei denn, man legte es darauf an und veranstaltete sein 6-monatiges Praktikum bei den Jungen und Matten dieser Welt. Nicht mit mir.
Rico landete 2010 in Berlin, David und ich 2008 in Hamburg. Das ist eine durch und durch abenteuerliche Zeit, wenn man in eine andere Stadt zieht – man ist neu, aber nicht unbedingt fremd in der Stadt, man sucht nach Arbeit und Wohnung gleichzeitig und kommt derweil bei Schwester und Schwager unter (Danke!), bleibt Abends lange wach und vor allem weg, weil unheimlich viel los ist — Aber: Ohne Arbeit keine eigene Wohnung, ohne Arbeit keine Kohle für die eigene Wohnung und ohne Kohle in Hamburg: Schon mal ganz schlecht. Trotzdem kauft man sich die x-te Klamotte im Laden, obgleich man schon so viele davon im Schrank hat. T-Shirts mit Möwen drauf zum Beispiel. Findet man irgendwie authentisch, wirkt tatsächlich ein wenig jung-hanseatisch.
Von nichts kommt nichts, also Portfolio für die ordentliche Bewerbung hier hin schicken, Portfolio in der Hoffnung auf Arbeit im Anschluss dort hin schicken. Absage, Einladung, Absage, Absage, Keine Antwort, Absage, Absage, Wo soll man das eigentlich noch überall hinschicken, Einladung, Einladung, Zusage, Zusage. Moment mal. Was ist denn jetzt in meinem E-Mail-Fach los? Scharf nachdenken. Was genau möchte ich eigentlich, was genau soll ich jetzt tun und wie verbindlich ist diese Angelegenheit? Bloß nichts voreilig entscheiden oder unterschreiben, erstmal Kaffee trinken gehen. Heut mache ich mir kein Abendbrot, heute mache ich mir Gedanken.
Alle guten Dinge sind drei, noch eine Einladung im Postfach. Verrückt. Wochen lang nichts, jetzt die Qual der Wahl. Beim alten Schüllenbach biege ich ein, das erste was ich sehe ist ein überdimensionaler Doppelsarg und ein riesen Haus aus Holz, das unter einer Regenplane hervorlukt. Kommt mir bekannt vor und ein Blick auf das Klingelschild bestätigt es, hier sitzt mein derzeit Lieblingsmodelabel »Cleptomanicx«. Also die, mit der Möwe. Genau ein Stockwerk drüber stelle ich mich vor und einen Monat und zwei Wochen später fange ich als Designer bei JUNO meinen ersten festen Job an.
Wer Stockwerk unter Stockwerk sitzt begegnet sich unweigerlich im Treppenhaus. Man grüßt sich, man schnackt im Hausflur miteinander, man verabredet sich zum Mittagessen. Modelabels haben es nicht einfach. Alle halbe Jahr eine neue Kollektion entwerfen, Kampagnen starten, Messen besuchen und vorbeireiten, Kataloge für Händler gestalten und produzieren. Ob man da als Designer nicht alle halbe Jahr mal aushelfen könne. Tja, warum auch nicht? Macht man natürlich. Neben der Arbeit. Geteilter Stress ist halber Stress. 200-Seiter mit Rico durch die Nacht bei seltsamen und unglaublich guten Mixtapes aus dem Internet layouten, bis morgens in der Früh, aber immer pünktlich zur Druckabgabe.
7 Kataloge in 4 Jahren haben wir das gemacht. Bis etwas größeres kam, was man nicht so einfach nebenbei machen kann: Online-Shop Re-Design und Programmierung ist dann doch ein anderer Schnack. Auch für einen Designer. Ich haderte. Selbstständig machen? Alles ist möglich zwischen Chance, Schicksal, Fügung oder kompletter Quatschidee. Großmutter zum Beispiel sagte immer – »Das, was du zuerst denkst, ist immer richtig.«. Der Job ist groß, aber was, wenn es im Anschluss nicht läuft und keine neuen Aufträge kommen? In Berlin spreche ich mit Rico.
»Ist mir eigentlich egal wie es läuft. Weißt du was? Gib mir ein halbes Jahr, ich steig mit ein. Ich hole mal zwei neue Bier.«Rico, Loophole Neukölln, 2013
Im Nachhinein betrachtet ist es ja so: Cleptomanicx war unser erster Kunde, noch bevor es Atelier Disko in der jetzigen Konstellation überhaupt gab. In gewisser Weise ist dieser Kunde zu einem immens großen Teil dafür verantwortlich, dass wir uns daraus gegründet und geformt haben. Weiter oben im Text steht es salopp beschrieben – ohne Job keine Geld, ohne Geld keine Wohnung. So ist das vielleicht auch mit uns. Ohne Clepto keine Disko und ohne Disko hat man wenig Spaß im Leben. So einfach ist das und das ist der eigentlich Grund dieser Geschichte auf die wir nach über 4 Jahren auch ein wenig stolz sind.